Traumpaar im Kino

Anna Netrebko in “La Bohème”

Kino
08.10.2008 16:36
Im September 1920, fast ein Vierteljahrhundert nach Giacomo Puccinis Uraufführung von „La Bohème“ im Teatro Regio in Turin, traf in Torre del Lago ein Schreiben an den Opernkomponisten ein, das unter den Bergen tagtäglicher Korrespondenz eine Ausnahme bildete. Es war von einem der ganz großen Männer der Epoche unterschreiben: Thomas Alva Edison. Der geniale Erfinder richtete an Puccini folgende Worte: „Men die and governments change, but the songs of ‚La Bohème‘ will live forever – Menschen sterben und Regierungen wechseln, aber die Melodien der ‚Bohème‘ werden ewig leben!“ Und er sollte Recht behalten. Nun bringt Regisseur Robert Dornhelm die Oper ins Kino und holte dafür das Traumpaar Anna Netrebko und Rolando Villazón vor die Kamera.

Die große italienische Oper, die zu seinen bedeutendsten Werken zählt, besingt die leidenschaftliche Liebe, ja das Verschmelzen zweier Herzen als höchstes Glück – fern koketter Galanterie, die nur zum Schäkern und Tändeln neigt. Puccinis „La Bohème“ feiert diese Innigkeit allen Widrigkeiten, ja selbst tödlicher Krankheit zum Trotz. Sein Vierakter orientiert sich dabei an Henri Murgers „Scènes de la vie de Bohème“. Erst durch den damals 24-jährigen Autor war der Begriff der Bohème romantisch verklärt plötzlich in aller Munde. Und Puccini verliebte sich in diese Welt der kleinen Pariser Näherinnen, der unbekannten Poeten, der Maler, die nur selten ein Bild verkauften, und der seltsamen Philosophen, die ihren ärmlichen Existenzen ein Maximum an Lebensfreude abzugewinnen imstande waren.

Ein Meister opulenter Historienverfilmungen
Bühnenfüllende große Emotion wiewohl auch großer Stoff für großes Kino, ein Fakt, dem nun Regisseur Robert Dornhelm, ein Meister opulenter Historienverfilmungen – zuletzt wusste er sein Publikum mit der Tolstoi-Verfilmung „Krieg und Frieden“ zu begeistern –, mit einem genialen Besetzungs-Coup Rechnung trägt. Mit Anna Netrebko und dem in Mexico City geborenen Rolando Villazón, Traumpaar der Opernwelt – man erinnere sich an die „La Traviata“-Aufführung in Salzburg 2005 –, weiß er die Rollen von Mimi und Rudolfo in den Händen zweier Künstler, die mit stimmlicher Brillanz und außergewöhnlich sinnlicher Ausdruckskraft zu verführen wissen.

Nostalgisches Paris in Wien
Zwei Gesichter, die zu Seelenlandschaften werden, die Blicke feurig, die Lippen bebend im Sog der Musik, die sie – und das Publikum – fortträgt. Gedreht wurde in den Rosenhügel-Studios der Filmstadt Wien, wo die nostalgische Pariser Welt von „La Bohème“ entstand: der beliebte Künstlertreff Café Momus, das ärmliche Zimmer von Mimi, das zugige Atelier, wo der schwärmerische Dichter Rudolfo, der temperamentvolle Maler Marcello, der stets heitere Musiker Schaunard und der Philosoph Colline ihr Dasein fristen.

Pittoreskes Mansardenglück, das an einem Weihnachtsabend durch die Präsenz der schönen Näherin Mimi überstrahlt wird. Mit der Bitte um Feuer für ihre erloschene Kerze klopft sie an Rudolfos Tür. Im fahlen Mondenschein, der durch die Fenster dringt, füllen zwei der schönsten Arien dieser Oper, getragen von scheuen Worten, den Raum: Rudolfos „Che gelida manina – Wie eiskalt ist dies Händchen“ und Mimis „Mi chiamano Mimì – Man nennt mich Mimi“. Momente inniger Nähe, bald auch schmerzvoller Verzweiflung, ist Mimi doch an der tödlichen Schwindsucht erkrankt...

„Wir hatten viel Gelächter“
Wie unterschieden sich die Film-Dreharbeiten von einer Opern-Inszenierung für die Bühne? Anna Netrebko: „Im Besonderen in der Art und Weise, wie man vor der Kamera agiert. Die Bewegungen müssen auf Grund der Intimität der Kamera viel kleiner, reduzierter sein. Emotionen werden nicht mit großen Gesten ausgedrückt. Man muss vielmehr versuchen, sie durch die Augen, den Blick hindurchscheinen zu lassen.“ Temperamentsbündel Rolando Villazón, mit Leib und Seele „Opernschauspieler“, hatte eher mit kulinarischen Fauxpas zu kämpfen. Sein köstlicher Kommentar zur Stimmung am Set: „Wir hatten viel Gelächter, Fisch und Ente! Die Sache ist nur die: Man sollte nicht alles essen, womit man gerade eine Szene dreht, ansonsten bekommt man ziemliche Magenprobleme. Ich habe diesen Fehler zweimal gemacht, einmal mit Fisch – und einmal mit Ente. Nun gut, das war der Preis, den ich für meine Unerfahrenheit beim Film zahlen musste!“

„Gegen alles und gegen alle“
Neben Nicole Cabell in der Rolle der Musetta, Vitalij Kowaljow als Colline und Tiziano Bracci als Hausherr Benoît wartet Robert Dornhelm noch mit einem besonders illustren Überraschungs-Part auf: Ioan Holender, Direktor der Wiener Staatsoper – und Cousin des Regisseurs – schlüpft als Gast in die Rolle des Alcindoro, eines glühenden Verehrers der koketten Musetta. Ein Grandseigneur der Oper mit vielen Talenten!

Auf einem Notenblatt Puccinis findet sich ein bezeichnender Satz von seiner Hand: „Contra tutte e contra tutti fare opera di melodia – Gegen alles und gegen alle - Opern mit Melodien komponieren!“ Seine „La Bohème“ gibt Zeugnis davon. („La Bohème“, ab 10. Oktober im Kino)

Von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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