Amoklauf an Schule

Amokläufer kannten sich – Flut an Drohungen

Ausland
26.09.2008 11:18
Matti Juhani Saari, der "YouTube-Killer" von Kauhajoki, und Pekka-Eric Auvinen alias "Sturmgeist89", der vor knapp einem Jahr das Massaker an der Jokela-Schule im finnischen Tuusula verübte, haben sich offenbar gekannt! Die beiden Schul-Amokläufer kommunizierten nach Aussagen von Bekannten übers Internet miteinander. Ob sie sich auch persönlich getroffen haben, ist noch nicht gewiss. Indes fürchtet die Polizei mögliche Nachahmungstäter, in Finnland hat es in den letzten 24 Stunden eine Flut an Drohungen gegeben. Fünf Jugendliche wurden verhaftet. Auch im benachbarten Schweden wurde ein Schüler vorübergehend festgenommen, weil er in einem YouTube-Video illegalerweise mit einer Waffe posierte.

Es sei nahezu sicher, dass Saari, der am Dienstag in Kauhajoki neun Mitschüler und einen an seiner Schule arbeitenden Mann ermordet und zuletzt sich selbst erschossen hat, über das Internet Kontakt zu jenem Amokläufer hatte, der im November 2007 in der finnischen Ortschaft Tuusula ein ähnliches Blutbad angerichtet hat, berichtet der finnische Fernsehsender TV4.

Die Polizei vermutet Verbindungen zwischen Saari und "Sturmgeist89", obwohl sie weit entfernt voneinander gelebt hatten. Ermittlungschef Jari Neulaniemi sagte, dass der 22-jährige Saari seine Pistole nachweislich im selben Geschäft in Jokela gekauft habe wie der Attentäter von Tuusula, der 18-jahrige Pekka-Eric Auvinen. Jokela liege aber rund 300 Kilometer entfernt von Saaris Wohnort. Außerdem ähnle das Vorgehen des zweiten Amokläufers auffallend stark dem seines Vorgängers zehn Monate zuvor. Auch dieser wollte etwa seine Schule in Brand stecken.

Die Polizei will jetzt genauer prüfen, ob die beiden Bluttaten im Abstand von zehn Monaten miteinander in Verbindung stehen könnten. Beide Verbrechen seien sich so ähnlich, dass ein Kontakt zwischen beiden Tätern wahrscheinlich sei, sagte Chefermittler Jari Neulaniemi. Gemeinsam war ihnen auch, dass sie sich intensiv mit dem Amoklauf in Columbine im US-Staat Colorado im Jahr 1999 beschäftigt und auf YouTube Gewaltvideos veröffentlicht hatten.

Nachahmungstäter halten Polizei auf Trab
Nach dem zweiten Amoklauf innerhalb eines Jahres rechnet die finnische Polizei nun mit Nachahmungstaten. Finnische Medien berichteten am Donnerstag von mehreren Bombendrohungen und Drohungen gegen Schüler landesweit. Der finnische Polizeichef Mikko Paatero kündigte an, man werde die Überwachung von Internetseiten wie YouTube verstärken. Dort hatte der 22-jährige Matti Saari Gewaltvideos veröffentlicht, bevor er am Dienstag zehn Menschen in einer Schule der Kleinstadt Kauhajoki erschoss. Die Polizei in Kauhajoki bestätigte, dass in der Region Schüler Drohungen per SMS erhalten hätten. Polizeisprecher Urpo Lintula sagte, die Textmitteilungen verbreiteten "Angst und Hysterie unter jungen Leuten und wir müssen sie stoppen".

Weiters sind fünf mutmaßliche Trittbrettfahrer festgenommen worden. Die Polizei erklärte, sie gehe mit aller Härte gegen Verdächtige vor, die nach dem Massaker in Kauhajoki Drohungen ausstießen. In der ostfinnischen Stadt Kajaani wurden zwei junge Männer festgenommen: Ein 18-Jähriger hatte im Internet gedroht, er werde um sich schießen. Ein 23-Jähriger ließ demnach gegenüber einem Lehrer Bemerkungen über Schießereien und Explosionen fallen.

Im westfinnischen Ort Siikajoki wurden zwei junge Frauen festgenommen, die an einer Landwirtschaftsschule in einem Waschraum einen Zettel hinterließen, auf dem eine Schießerei erwähnt war. In Masku im Südwesten wurde ein 15-jähriger Bursch verhört, weil er Bilder einer Schusswaffe ins Internet gestellt hatte und in der Nähe seines Elternhauses Schüsse gehört wurden. Zwar habe der Jugendliche niemanden direkt bedroht, aber seine Mitschüler seien verschreckt gewesen und nicht zur Schule gegangen, sagte ein Polizeisprecher.

Schwede wegen YouTube-Videos verhaftet
In der schwedischen Gemeinde Köping wurde indes ein 16-jähriger Jugendliche wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet. Damit habe er eine Gefahr für andere dargestellt, sagte Polizeisprecher Borje Stromberg. Der Zugriff sei erfolgt, nachdem Polizisten ein Video des Schülers auf YouTube geprüft hätten. Über dessen Inhalt wurden aber keine Angaben gemacht; Stromberg begründete dies mit dem Alter des Buben. Die schwedische Polizei forderte die Öffentlichkeit auf, verdächtige Web-Inhalte zu melden, wenn sie ein Warnsignal für bevorstehende Verbrechen darstellen könnten.

In Vasteras - ebenfalls in Schwerden - wurde nach einer Gewaltdrohung eine Schule evakuiert, die bereits bei dem Massaker im finnischen Jokela im vergangenen November nach einem Drohanruf geräumt worden war. "Sie haben eine Warnung erhalten, dass jemand die Schule in Stücke schießen wird", sagte Stromberg. "Wir wissen nicht, ob da was dran ist, der Direktor entschied sich aber für die Räumung, um auf der sicheren Seite zu sein."

Zehn Tote bei Amoklauf in Kauhajoki
Saari war am Dienstag maskiert und bewaffnet in seine Berufsschule in Kauhajoki gestürmt, hatte um sich geschossen, Brände gelegt, Chemikalien verschüttet und zehn Menschen getötet, bevor er sich  durch einen Kopfschuss selbst richtete. Mittlerweile sind alle zehn Opfer identifiziert. Die Polizei hält jedoch weiter persönliche Angaben zum Alter und der Identität der zehn Toten zurück, von denen mehrere bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. Sie konnten nur durch DNA-Abgleiche sicher identifiziert werden. Nun rätselt eine schockierte Nation darüber, wie in den so behüteten finnischen Verhältnissen ein junger Mensch auf einen solchen Irrweg gelangen konnte.

Schwere Vorwürfe gegen die Behörden
Direkt nach dem neuerlichen Amoklauf wurden schwere Vorwürfe gegen die Behörden laut, in deren Visier der 22-Jährige kurz vor der Tat geraten war. Nur einen Tag vor dem Blutbad hatte ein Polizist den Schüler verhört, weil Saari auf YouTube mehrere Videos eingestellt hatte, in denen er auf einem Schießplatz herumballerte. Der Polizeitermin blieb jedoch ohne Konsequenzen, seine halbautomatische Pistole durfte Saari behalten. Diese Entscheidung wird nun in einer offiziellen Untersuchung überprüft. Der 22-Jährige ging nach Hause und stellte ein neues Video online, auf dem er Richtung Kamera schießt und ruft: „Du stirbst als nächstes!“

Blutbad war von langer Hand vorbereitet
Nach der Tat fand die Polizei dann in Saaris Wohnung schriftliche Notizen, die darauf hindeuten, dass er seine Tat von langer Hand vorbereitet hatte. Saari schrieb, „dass er die Menschheit und die menschliche Rasse hasst“, so Chefermittler Neulaniemi. Und er habe auch festgehalten, dass er die Bluttat bereits seit 2002 geplant habe. Wo aber die Antriebskräfte des Amoklaufs lagen, darauf gab es nur vage Hinweise. Laut Internetnutzern hatte Saari auf YouTube als Hobbys „Computer, Waffen, Sex und Bier“ angegeben. Außerdem interessierte er sich demnach für Heavy-Metal-Musik von Bands wie Rammstein und Metallica sowie Horrorfilme wie "Shining" von Stanley Kubrick.
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