Völkermordprozess

Neue Anklageschrift im Prozess gegen Karadzic

Ausland
24.09.2008 12:41
Der ehemalige Präsident der bosnischen Serbenrepublik, Radovan Karadzic, muss sich laut der jüngsten Anklageschrift vor dem Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal für den Völkermord auf dem gesamten Gebiet Bosnien-Herzegowinas verteidigen. Am Dienstag wurde Karadzic der neue Text zugestellt. Ein solcher Vorwurf ist bisher in keinem einzigen Gerichtsverfahren vor dem Haager Gericht bewiesen worden.

Die Ankläger konzentrierten sich in der neuen Klagsschrift auf Kriegsverbrechen in 27 Gemeinden während des Bosnien-Kriegs (1992-95). In der früheren Anklage war noch von Kriegsverbrechen in 41 Gemeinden die Rede. Diese Reduzierung soll nach Meinung der Anklage zu einem wirksameren Verlauf des Gerichtsverfahrens beitragen.

Die Anklage wird versuchen zu beweisen, dass es "die Absicht gab, die bosnischen Muslime und Kroaten vollkommen oder teilweise zu vernichten". Dies gilt nicht nur für den Völkermord in Srebrenica, wo von Truppen der bosnischen Serben im Sommer 1995 rund 8.000 muslimische Stadtbewohner ermordet wurden, sondern auch für die Ortschaften Bratunac, Brcko, Foca, Kljuc, Kotor Varos, Prijedor, Sanski Mos, Vissegrad, Vlasenica und Zvornik.

Die Kriegsverbrechen, welche Karadzic angelastet werden, hatte der ehemalige Präsident der Republika Srpska als Mitglied eines sogenannten gemeinsamen verbrecherischen Vorhabens begangen, dessen Mitglieder auch der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic, der einstige serbische Geheimdienstchef Jovica Stanisic, aber auch der Chef der Serbischen Radikalen Partei, Vojislav Seselj, und der Milizenchef Zeljko Raznatovic "Arkan" waren. Sie alle wurden vom UNO-Tribunal angeklagt. Der Prozess gegen Milosevic wurde nach dessen Tod im Jahre 2006 eingestellt, die Hauptverhandlung gegen Stanisic steht noch bevor. Seselj steht derzeit wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien und der nordserbischen Provinz Vojvodina vor Gericht. Das Verfahren gegen "Arkan" wurde nach seiner Ermordung in Belgrad Anfang 2000 eingestellt.

Anklage muss noch vom Richtersenat bestätigt werden
In der neuen Anklage steht ferner, dass an der monatelangen Beschießung von Sarajevo auch ungenannte Angehörige der damaligen jugoslawischen Streitkräfte teilnahmen. Die Ermordung von Bosniaken in der Ortschaft Trnovo im Sommer 1995 wird den "Skorpionen" angelastet, die von der Anklage als eine serbische Sonderpolizeieinheit bezeichnet werden. In Serbien hieß es bisher, dass "Skorpione" zu jenem Zeitpunkt eine serbische Freischärlergruppe waren. Bevor sich Karadzic zur Anklage äußern kann, muss diese noch vom Richtersenat bestätigt werden. Der einstige Präsident der Serbenrepublik wurde am 21. Juli in Belgrad festgenommen. Vor dem UNO-Tribunal will sich der studierte Psychiater weiterhin selbst verteidigen.

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