Tumult in Gleisdorf

Kampusch-Vater “traf” Bekannten des Entführers

Steiermark
20.09.2008 11:39
Im Bezirksgericht Gleisdorf in der Steiermark ist am Donnerstag der letzte Verhandlungstag im Prozess zwischen Natascha Kampuschs Mutter Brigitta Sirny und dem pensionierten Richter Martin Wabl über die Bühne gegangen. In dem Verfahren geht es um Wabls Behauptung, Sirny habe etwas mit der Entführung ihrer Tochter zu tun gehabt. Am Donnerstag wurden letzte Zeugen befragt. Dabei kam es am Gang vor dem Gerichtssaal zu einem Tumult, als der Vater von Natascha Kampusch einem Zeugen - ein Bekannter von Wolfgang Priklopil, der ihn im Jahr 2006 mit Kampusch gesehen haben soll - einen heftigen Stoß versetzte (siehe Foto von "Steirerkrone"-Fotograf Jürgen Radspieler). Das Urteil wird "in den nächsten Wochen" schriftlich ergehen.

Als erster Zeuge wurde der Bekannte von Wolfgang Priklopil vernommen. Der ängstlich wirkende Mann erschien mit Sonnenbrille und hielt sich eine Tasche vor das Gesicht. Im Gerichtssaal beanstandete er, dass nicht kontrolliert worden sei, ob Aufnahmegeräte oder Handys im Saal seien. Doch der Richter forderte ihn auf, auszusagen und wollte sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen.

Bilder vom Prozess findest du in der Infobox!

Der Zeuge gab an, er sei selten in Priklopils Haus gewesen und habe dort nie ein Mädchen gesehen. Wohl aber habe er im Mai oder Juni 2006 seinen Bekannten mit einer jungen Frau in einer Veranstaltungshalle gesehen. "Es hat sich später herausgestellt, dass es Natascha Kampusch war", so der Befragte.

Koch: "Der hat was mit der Sache zu tun"
Als der Zeuge den Saal verließ, ging der Vater von Natascha Kampusch auf den Mann los und versetzte ihm einen Stoß. Dieser schrie sofort mehrmals "Polizei!" und "Ich werde tätlich angegriffen!", obwohl ihm längst keiner mehr etwas tat. Mit den Worten "So eine Frechheit" ging er schließlich. Koch erklärte, er sei überzeugt davon, dass der Nachbar etwas mit der Sache zu tun habe. "Wenn er frei von jeder Schuld ist, braucht er sich vor Gericht ja nicht unkenntlich machen", so Koch.

Auch noch zweite Tätlichkeit
Wie Donnerstagabend bekannt wurde, hat sich im Zuge der Verhandlung auch eine zweite - wenn auch geringfügige - Tätlichkeit zugetragen: Jener Zeuge, der selbst von Natascha Kampuschs Vater, Ludwig Koch, angegriffen wurde, hatte zuvor im Gang einen Fotografen attackiert. Laut Polizeiprotokoll wurde der Pressefotograf der "Kleinen Zeitung" mit einer Laptoptasche geschlagen und verletzt, sein Fotoapparat beschädigt.

Dann wurde ein Nachbar von Brigitta Sirny befragt, der irgendwann einmal gesagt haben soll, Priklopil sei bei ihr aus und ein gegangen. Vor Gericht bestritt er diese Aussage aber entschieden. Dann wurde aus dem Publikum eine Zeugin gehört, die angab, er habe das sehr wohl gesagt. Doch der Nachbar blieb bei seiner Aussage.

Kriminalist Edelbacher: Hinweise "falsch bewertet"
Als letzter Zeuge wurde der ehemalige Chef des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, einvernommen. Er räumte ein, dass man die Hinweise auf Wolfgang Priklopil "falsch bewertet" habe, deshalb wurden die Ermittlungen in diese Richtung nicht fortgesetzt. Außerdem meinte er, dass Kampuschs Vater Ludwig Koch "sehr engagiert war und sich sehr eingesetzt hat", während sich die Mutter seines Wissens nie erkundigt habe. Nach der Entführung habe es "über 700 Hinweise" gegeben, nur zwei davon hatten Priklopil betroffen. "Die, die ihn überprüft haben, haben ihm geglaubt, dass er den Kastenwagen zum Transport von Bauschutt verwendet hat". Damit war für die Polizei der Fall erledigt. "Vom zweiten Hinweis wusste ich nichts, sonst hätte bei mir das rote Licht aufgeleuchtet", meinte Edelbacher. Insgesamt sei es aber sicher ein "Bewertungsfehler" gewesen, räumte der ehemalige ranghohe Polizist ein.

"'Schiene Mutter' wahrscheinlicher als die 'Schiene Vater'"
Indizien, dass Sirny mit der Sache zu tun hatte, habe es zwischen 1998 und 2002 nicht gegeben, dann ging Edelbacher in Pension. "Aber wenn etwas passiert ist, ist nach meinem persönlichen Gefühl die 'Schiene Mutter' wahrscheinlicher als die 'Schiene Vater'", sagte sagte Edelbacher. Der Vater habe dauernd nachgefragt, Brigitta Sirny dagegen - zumindest bei ihm - nie. "Wenn ich Kindsmutter bin, quäle ich den Chef jeden Tag und frage, warum mein Kind noch nicht da ist", so der ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros.

Sirny sagte nicht aus - Urteil kommt per Post
Brigitta Sirny wollte zu den Angaben der Zeugen nichts sagen und verzichtete auf eine abschließende Stellungnahme. Das Gericht muss nun in den nächsten Wochen die Aussagen und Beweise werten. Ein Urteil wird schriftlich erfolgen.

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