"Dramatisch"

Barroso fordert mehr Einsatz für Roma

Ausland
16.09.2008 18:27
Die EU hat zu einer europaweiten Kampagne für eine bessere Integration von Sinti und Roma aufgerufen. Die Angehörigen dieser ethnischen Minderheit litten noch immer unter extremer Armut, sozialer Isolation und Diskriminierung, sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auf dem ersten Gipfeltreffen zur Lage der Roma in Europa am Dienstag in Brüssel. "Ein Großteil von ihnen lebt unter Bedingungen, die im Europa des 21. Jahrhunderts einfach nicht akzeptabel sind." Vertreter der Sinti und Roma warfen der EU vor, sich nicht ausreichend für die Bevölkerungsgruppe einzusetzen.

Die Delegierten kritisierten besonders, dass die EU-Kommission den Umgang Italiens mit Sinti und Roma nicht ausdrücklich verurteilt habe. "Es ist sehr beschämend, dass solche Dinge in der EU passieren können", sagte Isabela Mihalache von der Nichtregierungsorganisation Open Society Institute. "Es ist auch beschämend, dass die EU-Kommission keine deutlichere und stärkere Botschaft an die italienische Regierung senden konnte."

Banger Blick auf Italien
In Italien kam es im November vergangenen Jahres nach der Ermordung einer Italienerin durch einen aus Rumänien stammenden Roma zu ersten Ausschreitungen gegen die Minderheit. Im Mai wurden dann mehrere Roma-Lager in Neapel in Brand gesetzt, nachdem eine junge Mutter nach eigener Aussage in ihrer Wohnung ein Roma-Mädchen mit ihrem Baby im Arm erwischt hatte. Wenig später kündigte die Regierung in Rom an, die Fingerabdrücke sämtlicher in Italien lebender Roma erfassen zu wollen. Nach scharfer Kritik schränkte sie ein, dies solle nur für Roma ohne gültige Ausweispapiere gelten.

Der Gründer des Open Society Institute, der US-Finanzmagnat George Soros, der selbst ungarische Wurzeln hat, äußerte sich tief besorgt und sprach sich für rechtliche Schritte gegen die italienische Regierung aus. Zwar hat das Europaparlament die geplante Erfassung der Fingerabdrücke verurteilt. Die EU-Kommission erklärte jedoch, die Maßnahme verstoße nicht gegen EU-Recht. Auch der mazedonische Roma-Delegierte Asmet Eiezovski warf der EU vor, nicht genug zum Schutz der Minderheit zu tun. "Was heute hier geschehen ist, ist historisch, aber wir haben kein Roma-Gesicht in der Kommission gesehen", sagte er.

EU wehrt sich gegen Apartheid-Vorwurf
EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla wehrte sich am Rande der Roma-Konferenz in Brüssel gegen den Vorwurf des Vorsitzenden des Deutschen Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, die Ausgrenzung der Roma erinnere ihn an die "Apartheid" in Südafrika. Der Vergleich sei "völlig ungerecht", empörte sich der tschechische Kommissar. Es gebe zwar einzelne Fälle sogar von systematischer Diskriminierung, jedoch keine Politik der Apartheid, sondern der Chancengleichheit und der Anti-Diskriminierung, sagte Spidla. Schützenhilfe bekam der Kommissar in dieser Sache vom US-Finanzmagnaten Soros.

In den 27 EU-Staaten leben Schätzungen zufolge bis zu neun Millionen Sinti und Roma, die zum Großteil unter Armut, Krankheiten, Arbeitslosigkeit und einem niedrigen Bildungsstand leiden. Zu dem Brüsseler Gipfeltreffen waren rund 400 Teilnehmer erwartet worden. Organisiert wurde die Konferenz von der EU-Kommission und der französischen Regierung, die gegenwärtig die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat.

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