Kaukasus-Krise

Russland festigt Militärpräsenz in Krisenregionen

Ausland
09.09.2008 19:40
Russland festigt seine Militärpräsenz in den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien. Präsident Dmitri Medwedew ordnete am Dienstag an, Vorbereitungen für die Errichtung russischer Stützpunkte in beiden Regionen zu treffen. Unterdessen geben einander Moskau und Tiflis auch nach dem von der EU vermittelten Friedensschluss weiter gegenseitig die Schuld am Ausbruch des Krieges im Südkaukasus. Nun will Russland bei der UNO sogar ein Waffenembargo gegen Georgien erwirken. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte am Dienstag in New York, er werde einen entsprechenden Resolutionsentwurf einreichen.

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili übergab der EU-Spitze nach eigenen Angaben "handfeste Beweise" dafür, dass sein Land den Krieg nicht begonnen habe. Georgien habe auf eine groß angelegte russische Invasion reagiert, sagte Saakaschwili in der Nacht zum Dienstag bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy in Tiflis. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete Saakaschwili daraufhin als "Lügner". Nach Angaben des russischen Generalstabs hat Moskau Dokumente, die belegen, dass Georgien seinerseits bereits seit zwei Jahren eine Eroberung der abtrünnigen Regionen geplant habe.

"Keine Wiederholung der georgischen Aggression"
"Die russischen Streitkräfte befinden sich auf Bitten der Präsidenten und Parlamente Südossetiens und Abchasiens sowie auf Anweisung des russischen Präsidenten in diesen Republiken", sagte Lawrow. "Sie werden dort für lange Zeit, zumindest für die absehbare Zukunft bleiben. Dies ist nötig, um eine Wiederholung der georgischen Aggression zu verhindern." Die Übereinkunft über den russischen Abzug aus dem georgischen Kernland - der am Dienstag langsam begonnen hat - stehe dem nicht entgegen. Im Laufe des Tages wollte Lawrow mit den Außenministern Abchasiens und Südossetiens zusammentreffen, um formell diplomatische Beziehungen aufzunehmen.

Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow erklärte in Verhandlungen mit Vertretern der beiden Regionen, deren Unabhängigkeit nur von Russland und Nicaragua anerkannt wird, die Eckpunkte als schon geklärt: "Wir haben uns bereits über die Stärke der Truppen - in der Größenordnung von 3.800 Mann in jeder der Republiken - sowie deren Struktur und Stationierungsort geeinigt." Lawrow kündigte an, die Verhandlungen würden in den kommenden Tagen zum Abschluss geführt, um die Truppenpräsenz auf eine rechtliche Grundlage zu stellen.

Abzug aus Kernland in einem Monat?
Am Montag hatte Medwedew Frankreichs Staatschef und EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy zugesagt, seine Truppen binnen eines Monats aus dem georgischen Kernland abzuziehen. Saakaschwili begrüßte dies als Schritt vorwärts, um den gesamten zuvor von Sarkozy vermittelte Sechs-Punkte-Plan zur Lösung der Kaukasus-Krise umzusetzen. In den Regionen vor Abchasien und Südossetien sollen künftig internationale Beobachter dafür sorgen, dass von georgischer Seite keine neue Militäroffensive ausgeht.

Außenministerin Ursula Plassnik (V) verwies bei ihrem Moskau-Besuch am Dienstag gegenüber ihrem russischen Amtskollegen Lawrow deutlich auf die Meinungsunterschiede zwischen der EU und Russland, wie etwa in der Frage der Zugehörigkeit von Südossetien und Abchasien: "Hier zeichnet sich keine Annäherung ab", sagte Plassnik auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Auch Lawrow sprach von unterschiedlichen Sichtweisen, bescheinigte der EU allerdings ein "nüchternes und faires Herangehen" bei der Suche nach gegenseitig akzeptablen Lösungen.

"Der erste Schritt liegt bei der EU"
Im Bezug auf die Einhaltung der Friedensvereinbarungen, die zwischen Sarkozy und Medwedew geschlossen wurden, schob Lawrow der EU den Ball zu. "Der erste Schritt liegt bei der EU", sagte er. Zuerst müsse die EU bis zum 1. Oktober mindestens 200 Beobachter in die Zonen um Abchasien und Südossetien entsenden, erst dann würde Moskau seine Truppen innerhalb von zehn Tagen abziehen, betonte Lawrow.

Plassnik sagte, dass noch unklar sei, wie genau diese EU-Mission beschaffen sein werde. Auch eine mögliche österreichische Beteiligung würde geprüft. Die EU wolle ihren engagierten Dialog mit Russland jedenfalls fortsetzen: "Weder Drohgebärden noch ein Dialogstopp sind taugliche Mittel des Krisenmanagements." Lawrow beruhigte am Dienstag auch, Russland werde jenen Ländern, die Moskau kritisieren, die Energielieferungen nicht kürzen: "Wir werden weiter Öl und Gas und andere Rohstoffe an alle Staaten verkaufen, die sie kaufen möchten", erklärte Lawrow im polnischen Fernsehen.

Saakaschwili vor innenpolitischem Aus
Unterdessen fordern Teile der georgischen Opposition erstmals den Rücktritt von Saakaschwili. Der Präsident habe "ohne Vernunft, eigenmächtig und verantwortungslos die Entscheidung zur Bombardierung Zchinwalis", der Hauptstadt Südossetiens, getroffen, sagte der Parteichef der einflussreichen konservativen Partei Neue Rechte, David Gamkrelidse, in Tiflis, und forderte vorgezogene Präsidenten-und Parlamentswahlen.

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