"Google Chrome"

Googles erster Internetbrowser auf dem Prüfstand

Web
04.09.2008 08:16
Im September hat US-Suchmaschinengigant Google mit "Chrome" eine Beta-Version eines eigenen Internetbrowsers vorgestellt. Das milliardenschwere Unternehmen betrat damit Neuland – und setzt Marktführer Microsoft und dessen Internet Explorer gehörig unter Druck. Experten wollten schnell erste Sicherheitslücken ausgemacht haben, die Hackern den Zugriff auf PCs von Chrome-Nutzern erlauben könnten. Auch einige Datenschutz-Passagen sorgten für Aufregung (mehr dazu in der Infobox). krone.at hat die Vorabversion des Google-Browsers auf den Prüfstand gestellt.

"Was wir wirklich brauchen, ist nicht einfach ein Browser, sondern auch eine moderne Plattform für Webseiten und –Anwendungen", verkündete Google-Produktmanager Sundar Pichai im September . Das World Wide Web habe sich schließlich von reinen Textseiten hin zu reichhaltigen Internetanwendungen mit Videos, Musik und Animationen gewandelt. "Chrome" soll dem nun Rechnung tragen. "Da wir immer mehr Zeit online verbringen, haben wir uns bei Google gefragt, wie ein Browser aussehen könnte, wenn man ihn von Grund auf nur mit den besten Komponenten neu entwickeln würde", heißt es auf der offiziellen "Chrome"-Website.

Das Ergebnis ist auf den ersten Blick ernüchternd. Die Browser-Oberfläche bietet kaum mehr als die üblichen Bedienelemente: Vor, Zurück, Aktualisieren. Alles beabsichtigt, betont man bei Google, schließlich soll "Chrome" nur Mittel zum Zweck sein und als Werkzeug für die Darstellung der eigentlich wichtigen Dinge – Websites und Anwendungen – fungieren.

Wer bremst, wird ausgeschaltet
Dabei gibt es unter der aufgeräumten Oberfläche des Browsers durchaus einige technische Neuerung zu entdecken. Die wohl wesentlichste: Sogenannte Tabs, einzelne Unter-Fenster, laufen im Google-Browser als Prozesse erstmals getrennt voneinander. Jedes Tab ist zu diesem Zweck mit einer eigenen Eingabeleiste und entsprechenden Bedienfeldern ausgestattet. Vorteil für den Nutzer: Da die Tabs als einzelne Prozesse laufen, können fehlerhafte Websites einen Browser nicht komplett zum Absturz bringen. Bei Problemen hängt sich lediglich ein Tab auf, die übrigen geöffneten Websites lassen sich unvermindert weiter nutzen. Google stellt seinen Nutzern mit "Chrome" diesbezüglich sogar einen eigenen Tabs-Task-Manager zur Seite (aufzurufen über Umschalt + Esc), mit dessen Hilfe sich besonders "leistungshungrige" Websites ausfindig machen lassen. Wer zu sehr bremst, wird ausgeschaltet.

Die Tabs selbst lassen sich in "Chrome" per Maus bequem verschieben und in neue Fenster "herausziehen". Beim Öffnen eines Tabs präsentiert Google dem Nutzer keine leere Seite, sondern bietet einen Überblick über sämtliche bisher geöffneten - bis zu neun - Tabs. Daneben werden "vor kurzem gespeicherte Lesezeichen" sowie "kürzlich geschlossene Tabs" angezeigt. Über ein Suchfeld lässt sich der Verlauf durchstöbern.

Eine Leiste für alles
Ohnehin wäre Google nicht Google, wenn es sich nicht auch bei der Suche Gedanken gemacht hätte. Die "Omnibox" getaufte Adresszeile unterbreitet dem Nutzer etwa noch während der Eingabe Vorschläge. Wer beispielsweise "Hotels in Washington" sucht, bekommt unter anderem die Vorschläge, die Suche auf Washington D.C. oder aber den Staat Washington einzugrenzen. Auch bei Tippfehlern kann die "Omnibox" Abhilfe leisten: Hinter "Berln" vermutet der Webbrowser korrekterweise eine Anfrage zu Berlin. Neu ist dieses Feature allerdings nicht: Opera 9.5 und Firefox 3 bieten bereits denselben Komfort bei der Suche und auch der kommende Internet Explorer 8 wird über eine vergleichbare Adresszeile verfügen.

Sandkasten-Prinzip und Porno-Modus für mehr Sicherheit
Unterschiede zu anderen Browsern gibt es hingegen im Bereich der Sicherheit. Google setzt hier auf das sogenannte Sandbox-Konzept (zu deutsch "Sandkasten"), das die Kommunikation nur vom Nutzer in Richtung Tab, nicht aber umgekehrt zulässt. Tabs sollen dadurch nicht eigenhändig Programme starten oder Dateien auf der Festplatte auslesen können. Darüber hinaus bietet Google mit "Chrome" einen Phishing- sowie Malware-Filter, der Nutzer vor Cyberkriminellen und PC-Schädlingen schützen soll. Zu diesem Zweck greift der Browser automatisch auf ständig aktualisierte Listen von "schwarzen Schafen" im Internet zurück.

Schließlich bietet "Chrome" dem Nutzer mit dem sogenannten "Inkognito"-Fenster, von vielen auch als Porno-Modus bezeichnet, noch eine Private-Browsing-Funktion, wie sie Microsoft erst kürzlich für seinen kommenden Internet Explorer 8 angekündigt hat: Sämtliche Aktivitäten, die in diesem speziellen Fenster stattfinden, sollen auf dem Rechner keine Spuren hinterlassen. Der Browser-Verlauf, Cookies und andere Daten werden nicht gespeichert.

Schneller als die Konkurrenz
Noch viel wichtiger als die Frage nach der Sicherheit dürfte für viele Nutzer jedoch sein: Wie schnell ist "Chrome"? Einem ersten subjektiven Test zufolge sehr schnell. Offizielle Benchmark-Tests wie der des Online-Branchenmagazins "Golem" bestätigen diesen Eindruck: Der Google-Browser konnte den SunSpider-Test demzufolge nahezu 15 Mal durchlaufen, ehe der Internet Explorer 7 überhaupt den ersten Durchlauf vollendet hatte. Opera brauchte "Golem" zufolge etwa dreimal und Apples Safari immerhin noch doppelt so lange. Lediglich der Firefox-Browser der Mozilla-Foundation könne ansatzweise mithalten, so das Testergebnis.

Trotz aller Vorzüge: Der "Chrome"-Browser hat auch Schwächen. In vielen Online-Foren kritisieren User bereits die viel zu simpel gehaltene Oberfläche, die nur dürftige Lesezeichenverwaltung, den gesteigerten Speicherbedarf durch die voneinander unabhängigen Tabs sowie eine fehlende Unterstützung von RSS-Feeds. Dass sich einzelne Websites über den Befehl "Anwendungsverknüpfung" wie ein Programm vom Desktop aus auch ohne Browser starten lassen, mag zwar innovativ sein, dringend benötigt werden dürfte diese Funktion jedoch nicht.

Dann wäre da noch das Thema Datenschutz...
Den Vorwurf, mit "Chrome" nach den Daten von Millionen von Nutzern zu angeln, will man sich bei Google hingegen nicht gefallen lassen: Die finale Version des Browsers soll unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden, um größtmögliche Transparenz zu schaffen. Wie bei Firefox hätte die Community dann die Möglichkeit, den Browser durch Plugins beliebig zu erweitern.

Darüber hinwegtäuschen, dass der Endbenutzer-Lizenzvertrag zu Beginn der Installation einige bedenkliche Passagen enthält, kann dieses Vorhaben jedoch nicht: So erläutert der erste Punkt etwa, dass Google über alle aufgerufenen URLs in Kenntnis gesetzt wird, um Adressvorschläge zu machen und das "Surfen zu verbessern". Ebenso werden aufgerufene, aber nicht vorhandene URLs an den Google-Server gesendet.

Microsoft und Mozilla nehmen's gelassen
Vielleicht ist auch das mit ein Grund dafür, dass man bei der Konkurrenz bislang recht gelassen auf das Erscheinen des Google-Browsers reagiert hat. Gegenüber dem IT-Weblog "Gigaom" sagte Mozilla-Chef John Lilly, dass er sich mit weltweit über 200 Millionen treuen Firefox-Anhängern keine Sorgen mache. Auch Dean Hachamovitch, General Manager des Internet Explorer Group, zeigte sich im Gespräch mit der "New York Times" unbeeindruckt: Die Internetnutzer würden sich für den kommenden Internet Explorer 8 entscheiden, der ihre persönlichen Vorlieben berücksichtige und ihnen die Kontrolle über ihre persönlichen Daten lasse, ist Hachamovitch überzeugt.

Fazit: "Chrome" macht in der bislang nur für XP und Vista erhältlichen Vorabversion (Mac und Linux sollen folgen) einen sehr schnellen und auch stabilen Eindruck. Vor allem im Bereich der Tabs kann der klar strukturierte und somit leicht zu bedienende Google-Browser mit Innovationen aufwarten, andere Features sind jedoch bereits hinlänglich von der Konkurrenz bekannt.

Von Sebastian Räuchle

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele