Krisengipfel

Gusenbauer und Molterer beim Bundespräsidenten

Österreich
30.06.2008 18:01
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer sind am Montag zu einem Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer zusammengetroffen. Nach Angaben der Präsidentschaftskanzlei sei dies aber nur im Zusammenhang mit der kurz vorher stattgefundenen formellen Angelobung von Molterer nach der Demission von Günther Platter als Innenminister zu sehen. Platter geht ja als Landeshauptmann nach Tirol. Molterer übernimmt diese Funktion allerdings nur für einen Tag, am Dienstag erfolgt ja die Angelobung der neuen Innenministerin Maria Fekter.

Nach der gut halbstündigen Unterredung der Regierungsspitze mit dem Staatsoberhaupt gab es keinerlei Kommentare. Gusenbauer und Molterer kamen mit ernsten Mienen aus der Präsidentschaftskanzlei und gingen auf keinerlei Fragen der Journalisten ein.

Der ÖVP-Chef will ja noch diese Woche mit dem Staatsoberhaupt zusammentreffen, um über die Krise der Koalition zu konferieren. Wann genau dieses Treffen stattfindet, war zunächst nicht bekannt. Der Sprecher des Bundespräsidenten, Bruno Aigner, erklärte, Fischer werde sich nach dem Gespräch mit Molterer "zur derzeitigen Situation nicht verschweigen".

Koalitions-Krisengipfel ohne Ergebnis
Am Sonntag war im Bundeskanzleramt der Koalitions-Krisengipfel ohne ein konkretes Ergebnis zu Ende gegangen. Nach einer rund dreieinhalbstündigen Sitzung traten Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Regierungskoordinator Werner Faymann vor die Presse und kündigten weitere Gespräche mit dem Koalitionspartner an. Man habe der ÖVP dargelegt, dass man sich verstärkt bemühen müsse, die österreichische Bevölkerung in europäische Entscheidungen einzubeziehen, erklärte Gusenbauer. Über die Reaktion des Regierungspartners wollte man nicht sprechen, Gusenbauer sieht "keinerlei Gründe für Neuwahlen".

Man habe der ÖVP in einem "guten und interessanten Gespräch" den neuen EU-Kurs dargelegt, meinte der Kanzler. Demnach tritt die SPÖ nach wie vor für eine Volksabstimmung bei einem neuen EU-Vertrag ein.

Über das Pflegethema ist bei der Krisensitzung nicht gesprochen worden. Dies sei aus Zeitgründen und wegen der Dominanz des Europa-Themas nicht mehr möglich gewesen. Man will aber weiter an einer Pflegegelderhöhung ab 1.1.2009 um fünf Prozent festhalten. Faymann sprach von einer offenen Aussprache und intensiven Diskussionen. Auch er versuchte Neuwahlspekulationen zu zerstreuen. Er sehe die Chance für "sinnvolle Kompromisse".

Salzburgs Bürgermeister Schaden schämt sich für SPÖ
Heftige Kritik an der Kehrtwende der SPÖ-Spitze Gusenbauer/Faymann in der Europapolitik hat am Sonntag Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) geübt. "Ich bin wirklich sauer, das Duo Gusenbauer und Faymann macht aus der SPÖ eine Bananenrepublik - und damit auch aus der Republik Österreich", sagte er in einem Radio-Interview. "In Wirklichkeit geht es den beiden nur darum, aus dem hausgemachten Frust über die EU populistisch Stimmen zu schlagen. Das halte ich für ganz entsetzlich."

Schaden, der auch Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstandes ist, zeigte sich über den Alleingang der beiden verärgert: "Es ist im Vorfeld ja nicht diskutiert worden. Kein Wort wurde darüber geredet, wollen wir das, wie sehen wir das? Ich schäme mich für die SPÖ."

Molterer: "Hartes Gespräch"
Die ÖVP beharrt nach dem Koalitionsgipfel auf weitere Gespräche mit der SPÖ. "Das Gespräch ist ein sehr hartes gewesen", sagte Vizekanzler Wilhelm Molterer beim Verlassen des Bundeskanzleramts. Nach wie vor enttäuscht zeigte sich die ÖVP-Spitze über das Beharren der SPÖ auf ihren Schwenk bei EU-Fragen. Molterer sprach weiterhin von einem schweren politischen Fehler von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und SPÖ-Chef Werner Faymann.

In "absehbarer Zeit" sollen die Gespräche des Koalitionsausschusses fortgesetzt werden. Zuerst müsse noch zu wichtigen Fragen Stellung genommen werden, bevor feststehe, ob noch eine gemeinsame Basis der Zusammenarbeit da sei. Molterer will nun den Parteivorstand über das Ergebnis des Krisengipfels informieren. Die Beratungen sollen kommende Woche stattfinden. "Nach dem heutigen Gespräch kann ich nur sagen - und das bedauere ich -, dass die SPÖ die gemeinsame Linie verlassen hat."

ÖVP hofft auf klare Worte vom Bundespräsidenten
Molterer bedauert vor allem weiterhin, dass der Grundkonsens in Europa-Fragen nicht mehr gegeben sei und die Regierung keine gemeinsame Position mehr vertreten könne. Nun hofft man auf klare Worte von Bundespräsident Heinz Fischer, der laut Molterer die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon in verantwortungsvoller Weise begrüßt hat. "Eigentlich ist diese Vorgehensweise der SPÖ eine Desavouierung des Bundespräsidenten", so der ÖVP-Chef.

In der ÖVP erwartet man nun auch, dass es schon bald eine Zusammenkunft des SPÖ-Präsidiums zu Europa-Fragen geben werde. Die Frage, die laut Molterer dort beantwortet werden soll: "Ist das ein Alleingang von Faymann und Gusenbauer?" Von eventuellen Neuwahlen wollte die ÖVP-Spitze auch diesmal nicht konkret sprechen, allzu lange Zeit lassen will man sich mit der Lösung der Koalitionskrise allerdings nicht.

FPÖ: "Rien ne va plus"
"Rien ne va plus - nichts geht mehr" - so lautet die Einschätzung von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky nach dem Krisengipfel der Koalition. Er rechnet mit einer "rot-schwarzen Kapitulationserklärung bis spätestens Mitte Juli", meinte der Freiheitliche in einer Aussendung. Die Republik leide unter dieser "permanenten Kasperliade", kritisierte Vilimsky die ständigen Zwistigkeiten zwischen SPÖ und ÖVP.

Auch für BZÖ-Chef Peter Westenthaler hat sich gezeigt, dass die Regierung völlig handlungsunfähig sei und die Regierungsparteien eigentlich nur mehr mit sich selbst beschäftigt seien. Deshalb sei jetzt die Stunde des Parlaments gekommen: "Wir werden vor allem die SPÖ auf die Probe stellen, ob sie es mit ihren Ankündigungen und Versprechungen ernst meint, oder einmal mehr nur die Bevölkerung für dumm verkaufen will", betonte Westenthaler und kündigte an, einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes einzubringen, wie das auch von den Sozialdemokraten gefordert wird.

Grüne kündigen Neuwahlantrag an
Unterdessen kündigten die Grünen am Sonntag einen Neuwahlantrag für Juli an. Begründet wird der Antrag von der Dritten Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig damit, dass die Menschen die Nase voll hätten: "SPÖ und ÖVP sollen den Weg zu Neuwahlen endlich freimachen." Nach Ansicht von Glawischnig sollen die Wahlen noch vor den Budgetberatungen im Herbst stattfinden.

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