Zankapfel

Biosprit spaltet Umweltschützer und Wirtschaft

Österreich
27.06.2008 16:09
Die Sinnhaftigkeit von Agrotreibstoffen wie Biodiesel und Bioethanol bleibt weiterhin ein Zankapfel zwischen der Agrarwirtschaft auf der einen und Umweltschützern sowie Menschenrechtsgruppen auf der anderen Seite. Wobei der Einsatz von Bioethanol als Benzinzusatz auf Grund der vollständigen Eigenversorgung in Österreich relativ unumstritten ist. Anders sieht es bei Biodiesel aus, dessen Rohstoffe zu drei Viertel aus dem Ausland kommen. Hier könnte der vermehrte Einsatz von Altfetten helfen, hieß es am Freitag bei der ÖVP-Enquete zum Thema "Biosprit - Tank oder Teller".

Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll verteidigte die Vorreiterrolle Österreichs bei Agrotreibstoffen: "Wir können auf keine Stellschraube verzichten. Ohne Beimischung hat Österreich keine Chance, das Kyoto-Ziel zu erreichen." Leider werde das Thema Agrotreibstoffe derzeit unreflektiert und populistisch diskutiert. "Die europäische Strategie hat nichts mit den Rodungen von Regenwäldern zu tun. Die Regenwälder wurden wegen Zuckerrohr und Ethanol schon gerodet, da haben wir noch gar nicht gewusst, was Biotriebstoffe sind", so Pröll.

Verstärkte Vernetzung zwischen Öl- und Pflanzenpreis
Josef Schmiedhuber von der Welternährungsorganisation FAO sah dies bei der Enquete anders. Er hielt fest, dass steigende Ölpreise die Nutzung von Agrarrohstoffen zur Energie- statt zur Lebensmittelerzeugung interessanter machten. Außerdem käme es zu einer verstärkten Vernetzung zwischen Öl- und Pflanzenpreis, was automatisch den Preis für Nahrungsmittel in die Höhe treibe. "Die neue Marktsituation ist sehr gut für die Landwirtschaft, aber nicht unbedingt für alle anderen Sektoren", so Schmiedhuber. Ein kritisches Bild zeichnete auch Jurrien Westerhof von Greenpeace. Die Palmölimporte haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht. Dies habe zu 6,2 Mio. Tonnen CO2-Ausstoß alleine durch den Import von Soja aus gerodeten Urwäldern geführt, die auf Österreichs Konto gingen.

Zeche zahlen die Steuerzahler
Einen gänzlich neuen Kritikpunkt brachte der Biodieselerzeuger BDI ein. Laut BDI-Chef Wilhelm Hammer würden 70 Prozent des Biodiesels in Österreich nicht der Norm entsprechen. "Wie soll sich ein Unternehmen Investitionen für Forschung und Entwicklung leisten können, wenn politische Rahmenbedingungen Wettbewerbsverzerrungen zulassen", fragt sich Hammer. Demnach bestrafe Österreich die Braven und belohne die Bösen, die Zeche zahlten die Steuerzahler. Hier sei die Politik dringend gefordert, umfangreiche unangekündigte Kontrollen durchzuführen.

Agrana-Chef Johann Marihart rechnete im ÖVP-Klub vor, dass die heimische Ethanolproduktion "nebenbei" 190.000 Tonnen Eiweißfutter erzeugt. Der börsenotierte Zuckerkonzern Agrana betreibt im niederösterreichischen Pischelsdorf Österreichs einziges Ethanolwerk, das kürzlich in den Vollbetrieb gegangen ist. Dieses kann laut Marihart den kompletten Bedarf an Ethanol bis zu einer Beimischung von 10 Prozent beim Benzin abdecken.

Ziele bei der Beimischung müssen beibehalten werden
ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel und Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch sprachen sich für die Beibehaltung der ehrgeizigen Ziele Österreichs bei der Beimischung aus. Während die EU erst 2020 einen biogenen Anteil am Treibstoffverbrauch von 20 Prozent erreichen will, hat sich die heimische Regierung dies schon für 2010 vorgenommen, was von Umwelt- und Konsumentenschützern sowie Menschenrechtsgruppen kritisiert wird.

Schüssel zeigte für diese Kritik kein Verständnis. "Zu behaupten, dass die Menschen verhungern, weil wir es in Österreich wagen, Biosprit beizumischen, ist ein Unsinn der Sonderklasse. Wir müssen das Zurechtrücken durch eine sachliche Diskussion darüber, dass in der Ökobilanz mit einem vernünftigen Projekt Biotreibstoffeinsatz viel gewonnen werden kann", sagte er. Der Klubobmann verwies unter anderem auf die Verwertung von Abfällen. "Vor allem in der Logistik des Sammelns liege noch viel Potenzial, das es auszuschöpfen und zu organisieren gelte", so Schüssel.

Biotreibstoff-Beimischung nicht alleiniges Allheilmittel
Bauernschutz-Präsident Grillitsch räumte ein, dass die Biotreibstoff-Beimischung nicht das alleinige Allheilmittel sei, "aber gemeinsam mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und zum Energiesparen ist sie ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz". "Wer nein zu Biotreibstoffen sagt, der sagt in Wahrheit ja zu den fossilen Energieträgern. Der Kaufkraftabfluss für Erdöl hat sich von 2003 bis 2006 mehr als verdoppelt. 7,3 Mrd. Euro fließen aus Österreich in krisengebeutelte Ölgebiete", rechnete Grillitsch vor.

Eine andere Meinung vertritt das Agrarbündnis Österreich. Es lehnte die Beimischungsziele klar ab und forderte hingegen strengere Auflagen für die Autoindustrie.

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