Cooder, mit Soundtracks und Produktionen zu Filmen wie "Paris, Texas", "Last Man Standing" oder "Buena Vista Social Club" setzte er Meilensteine, rekapituliert die mehr wie Drehbuch denn Novelle wirkende Story von Kash Buk aus der Sicht der Erzählfigur, ein Arbeiter, der im Kalifornien der 50er Jahre mit dem Drag-Racing beginnt und dann in den Sechzigern dem Ruf des Country folgt.
Kash Buk ist - frei nach der Definition Roland Düringers -, wie man so schön sagt, ein echter "Benzinbruder". Einer, der sich Höllenschlitten aus hochgezüchteten Flathead-Engines (eine Bauform von Viertaktmotoren mit seitlich angeordneten Ventilen, die in der Zwischenkriegszeit und noch Jahre danach sehr beliebt war) bastelt und damit im Death Valley um die Wette braust. "Ich bin auf der Straße, dort wo ich hingehöre / Hab einen Kopf voller Gedanken um die ganze Nacht durchzufahren", heißt es etwa im Opener "Drive Like I Never Been Hurt". Oder in "Ridin' With The Blues": "Der gute alte Blues fährt mit in meinem Cadillac / Rutsch rüber, Baby. Der Blues wird fahren, während wir einen trinken!"
Doch gleichzeitig ist die Hauptfigur in Cooders zweiter Fiction-Story der "California Trilogy" - die drei Akteure im Zweitling "My Name Is Buddy" sind erfunden, die Geschichte über das hispanische Viertel "Chávez Ravine" in L.A., das wegen einer Siedlung plattgemacht wurde, ist wirklich so passiert - ein verliebter Countrymusiker, der abseits des ganzen Angebergehabes kitschige Lovesongs schreibt. Der Ruf der Musik, mit der er und seine Band The Klowns nicht so recht Erfolg haben sollten, schafft es jedoch bis zum Ende der Story nicht, das betörende Gebrüll der Motoren zu übertönen.
Im zwölften Song, "Flathead One More Time", riecht Buk - der zwischendurch von einem Alien besucht wird, J. Edgar Hoover Boogie tanzen lässt ("Pink-O Boogie") und es nicht schafft, sein rostiges Auto zu verkaufen ("Fernando Sez") - in einem Traum plötzlich Benzin, hört Motorenlärm, spürt den heißen Wind der Salzwüste und beschließt trotz Meuterei seiner unzufriedenen Frau, noch einmal sein Lebensglück auf der "Thunder Road" zu suchen.
"Ein alter Campingwagen, zwei rostige Cadillacs und 5.000 Countrysongs, die keiner singen mag", heißt es dann im vorletzten Track "5.000 Country Music Songs", in dem Kash Buk Bilanz über sein patschertes Leben zieht und schlussendlich die Gitarre samt den Chordsheets auf den Dachboden sperrt. Im letzten Song sehnt er sich nur mehr nach seinem Mädchen, der Salzwüste. Nach dem Ort, wo das Glück eines echten Flathead im Staub zu finden ist.
Das Tolle an "I, Flathead"? Es macht einfach Freude. Cooder durchstreift von kitschigem Country, kernigem Folk über Mariachiklänge bis zum Sixties Rock 'n' Roll und dem Rhythm-And-Blues der Siebziger sämtliche Genres und historische Trends, die nicht nur er selbst, sondern auch Kash Buk durchlebt haben muss. Man kann sich freilich einen Song herauspicken und ihn immer wieder hören - doch "I, Flathead" ist so gemacht, wie seit Napster und iTunes nur wenige Alben gemacht wurden: Die Tracklist ist dazu da, um die Platte vom ersten bis zum letzten Song durchzuhören.
Oder wie Kash Buk in seinem Vorwort sagt: "Ich will, dass du das hier verstehst: Setz dich in dein Auto, spiel diese gottverdammte Platte so laut du kannst und fahr los! Wohin ist mir scheißegal."
9 von 10 Country-liebenden Benzinbrüdern
Von Christoph Andert
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