Produkt der Armut
Prostitution floriert in Afghanistan
Dass chinesische Prostituierte in den Bordellen von Kabul ihre Dienste anbieten, ist hinreichend bekannt. Ihre Kunden sind in der Regel westliche Geschäftsleute, Sicherheitsbeamte oder auch Mitglieder von internationalen Hilfsorganisationen. Viele Chinesinnen wurden nach eigenen Angaben mit falschen Versprechen nach Afghanistan gelockt. Ihnen sei Arbeit in Restaurants oder in Privathaushalten in der Golfregion zugesagt worden, doch stattdessen seien sie in schäbige Etablissements in Kabul verfrachtet worden. Ganz ähnlich, wie es auch bei Menschenhändlern in Europa zugeht.
Prostituierten droht die Steinigung
Nur: Die afghanische Polizei geht mit aller Härte gegen die illegale Prostitution vor und packt das Problem dabei selten an der Wurzel. Rund 180 Frauen wurden im vergangenen Jahr in Kabul verhaftet, darunter (nach amtlichen Angaben) 154 Ausländerinnen zumeist aus China. Sie vor allem sowie ihre westlichen Kunden werden für einen Verfall der Sitten angefeindet, was zu öffentlichen Übergriffen auf Frauen asiatischer Herkunft geführt hat. „Die sind alle freiwillig hergekommen, um ein gutes Geschäft zu machen“, erklärt der Chef der Kabuler Ermittlungsbehörde, General Ali Schah Paktiawal.
Diese Einstellung ist bezeichnend. Prostitution ist ein Tabu im streng islamisch geprägten Afghanistan. Ist dies schon für Ausländerinnen ein großes Problem, so ist es für Einheimische gänzlich unmöglich, sich irgendjemandem anzuvertrauen. Nach afghanischem Strafrecht wird Prostitution häufig mit Ehebruch gleichgesetzt, der mit 15 Jahren Haft geahndet werden kann. Nach dem Recht der Scharia könnten verheiratete Prostituierte sogar zu Tode gesteinigt werden. Angesichts der weit verbreiteten Armut wird dieses Risiko aber in Kauf genommen. Um sich dennoch ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, was für die Ehre unverheirateter afghanischer Frauen unabdingbar ist, praktizieren viele junge Prostituierte nur Analverkehr. Von Kondomen haben die meisten laut einer Umfrage noch nie etwas gehört. Auch die Gefahr von Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten ist ihnen unbekannt.
„Tradition besteht auf ihrem Ehrbegriff“
„Unsere Gesellschaft ignoriert die Probleme völlig“, kritisiert die afghanische Frauenrechtlerin Orsala Aschraf. „Die Tradition besteht auf ihrem Ehrbegriff, also brechen wir mit der Tradition, wenn wir ein Tabu ansprechen.“ Hinzu komme, dass viele Mädchen schlicht Angst hätten, ergänzt Dschamila Ghairat von der Hilfsorganisation „Frauen für afghanische Frauen“ - Angst vor der eigenen Familie, die sie umbringen könnte, Angst vor der Polizei, die sie einsperren könnte. Aus diesem Teufelskreis kämen sie kaum noch heraus. Das Mädchen, von dem eingangs die Rede war, wurde übrigens irgendwann aufgegriffen und inhaftiert. Die 13-Jährige kam jedoch wieder frei, weil sie mit den Behörden zusammenarbeitete und nützliche Informationen über einen Ring für Kinderprostitution preisgab. Sie fand Aufnahme bei einer Frauenhilfsgruppe, arbeitete dort in der Küche und erhielt therapeutische Beratung. Doch eines Tages sah eine Sozialarbeiterin sie mit ihrem alten Zuhälter in der Stadt. Seitdem ist sie verschwunden.
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