Kritik an Armee

Wirbel um Anklage gegen türkischen Musikstar

Ausland
17.06.2008 07:50
Weil sie in einer Fernsehshow Skepsis über die türkische Armee äußerte, soll eine bekannte transsexuelle Sängerin in der Türkei jetzt ür bis zu drei Jahre ins Gefängnis. Vor einem Istanbuler Gericht muss sich Gesangsstar Bülent Ersoy (im Bild rechts) ab Mittwoch wegen "Entfremdung des Volkes von der Armee" verantworten.

Ersoy sagte im TV während der türkischen Militärintervention gegen die kurdischen PKK-Rebellen im benachbarten Nordirak im Februar, dass sie, selbst wenn sie Kinder haben könnte, ihre Söhne nicht hergeben würde, weil einige "Leute am grünen Tisch" das wollten. Die 56-jährige Diva betonte, sie stehe zu ihren Äußerungen.

In der Anklageschrift verweist die Staatsanwaltschaft nun darauf, dass die Verehrung der Armee in der türkischen Bevölkerung tief verankert sei. Unter anderem bezieht sich die Anklagebehörde auf das Sprichwort, wonach "jeder Türke als Soldat geboren" wird. Für die Türken sei die Armee genauso wichtig wie der Prophet Mohammed. Angesichts dieser Bedeutung der Armee für die Türken seien Ersoys Äußerungen nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Anklage hebt auch hervor, dass der PKK-nahe Fernsehsender Roj-TV Ersoys Äußerungen gelobt habe.

Künstler und Medien auf ihrer Seite
Ersoy hatte nach der Show in einer Pressekonferenz ihre Äußerungen verteidigt und gesagt, sie plädiere für eine friedliche Lösung des Kurdenkonfliktes. Wenn das verboten sei, "dann sollen sie mich doch gleich aufhängen". Viele Künstlerkollegen und der aufgeschlossene Teil der Medien hatten Ersoy unterstützt. Ähnlich wie die Verfahren nach dem inzwischen entschärften "Türkentum"-Paragrafen 301 des Strafgesetzbuches in den vergangenen Jahren gilt der Prozess gegen Ersoy als Test für die Meinungsfreiheit im EU-Bewerberland Türkei.

Auftrittsverbot nach Geschlechtsumwandlung
Der als Bub geborene und schon in den 70er Jahren populäre Bülent Ersoy hatte nach einer Geschlechtsumwandlung, mit der er 1980 zur Frau wurde, von der damaligen Militärregierung in der Türkei ein Auftrittsverbot erhalten. Sie lebte einige Jahre im Exil in Deutschland, bevor die türkische Regierung das Verbot Ende der 80er Jahre aufhob. Ersoy macht keinen Hehl aus ihrer Verachtung für den damaligen Putschführer und späteren Staatspräsidenten Kenen Evren.

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