Visa-Affäre

Ex-Botschafter für schuldig befunden

Österreich
04.06.2008 17:50
Der frühere österreichische Botschafter in Kiew ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht des schweren gewerbsmäßigen Betrugs in erster Instanz für schuldig befunden worden. Er bezog über fünf Jahre (2001-2006) unrechtmäßig einen Ehegattenzuschlag für seine Frau, die ihren Lebensmittelpunkt nie in die ukrainische Hauptstadt verlegt hatte. Die Anklage hatte dem 54-jährigen Michael Miess auch die amtsmissbräuchliche Vergabe von rund 500 Schengen-Visa an ukrainische Visa-Antragsteller zur Last gelegt. In diesem Punkt sprach der Schöffensenat unter Vorsitz von Andreas Böhm den vom Dienst suspendierten Diplomaten frei. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Der Schuldspruch wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs bei einer Schadenshöhe von über 50.000 Euro bedeutet für Miess eine bedingte Haftstrafe von 18 Monaten. Die Verteidigung hat bereits angedeutet, gegen das Urteil  in Berufung zu gehen: "Noch ist nichts rechtskräftig", betonte Anwalt Thomas Herzka. Für Böhm und die beiden Laienrichter war "von vornherein eine Regelmäßigkeit" bei den Besuchen der Gattin in Kiew zu erkennen. Den Behauptungen von Miess, er habe immer auf den Umzug seiner Frau nach Kiew gehofft und angesichts des Trubels bei der Vertretungsbehörde in der Ukraine darauf vergessen, ihre Abwesenheit vom Dienstort dem Außenamt in Wien zu melden, schenkten sie offenbar keinen Glauben.

Den Freispruch im zweiten Anklagepunkt begründete das Gericht damit, dass "teilweise nur kleine Verfehlungen" bei der Amtsausübung festgestellt wurden. Diese seien auf das von Zeugen beschriebene "Chaos" in der österreichischen Botschaft in Kiew in den Jahren 2003 und 2004 sowie "Schlamperei und Arbeitsüberlastung" zurückzuführen, so Richter Böhm. Um sich des Amtsmissbrauchs schuldig zu machen, hätte Miess aber "in unerträglicher Weise" gegen den Ermessensspielraum, den ein Botschafter bei der Visa-Erteilung hat, verstoßen müssen. "Das konnten wir nicht feststellen", sagte Böhm.

Miess hatte - anders als der wegen Schlepperei zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilte Ex-Vizekonsul in Budapest - nie Geld für die Sichtvermerke verlangt oder erhalten. Immer wieder waren aber Ukrainer mit österreichischen Touristen-Visa im Schengen-Raum untergetaucht; laut dem Büro für interne Angelegenheiten (BIA) infolge von Fehlern bei der Visa-Vergabe, die Miess zu verantworten hätte.

Mit dem Urteil ging - nach Verhandlungen wegen missbräuchlicher Visa-Vergabe in Lagos und Ankara sowie dem schwunghaften Handel mit Einreisegenehmigungen an den Botschaften in Belgrad und Budapest - ein weiterer Prozess in der sogenannten Visa-Affäre zu Ende. Die Anhäufung von Ungereimtheiten bei der Erteilung von Einreisegenehmigungen an österreichischen Botschaften hat auch politisch Wellen geschlagen.

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
Nicht nur wurde Ex-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, derzeit EU-Kommissarin, mit dem Vorwurf konfrontiert, von den Missständen spätestens seit 2001 gewusst zu haben. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigt sich seit März diesen Jahres mit der Visa-Affäre. Anders als Richter Peter Liebetreu im vorigen Visa-Prozess enthielt sich Richter Böhm diesmal aber jeglichen direkten Kommentars in Richtung Außenministerium. Dieses hatte zur Aufklärung des Visa-Handels an österreichischen Vertretungsbehörden eine Sonderkommission eingesetzt, die vom ehemaligen Außenminister Peter Jankowitsch geleitet wird.

Der Staatsanwaltschaft Wien liegt unterdessen die nächste Anklage in der Visa-Affäre vor. Wieder wird einem ehemaligen Botschaftsmitarbeiter in Budapest vorgeworfen, zwischen 2003 und 20006 Handel mit illegal ausgestellten Sichtvermerken betrieben zu haben - gemeinsam mit zwei finanzmaroden serbischen Unternehmern und einem auf serbische Fußballer "spezialisierten" Spieler-Vermittler. Einen Prozesstermin gibt es noch nicht.

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